Auf dem Paradeplatz, den Sprüngli im Rücken, den alten?, ehemaligen?, letzten? ersten? leeren? untergegangenen? Hauptsitz der Credit Suisse vor mir, gerade als von der Shilporte her der Zweier Richtung Tiefenbrunnen auf den Platz einbog, in dem Moment erkannte ich, warum die Credit Suisse untergegangen war.
Der Sprüngli in meinem Rücken: ein wunderbares, uraltes Unternehmen, fast genau gleich alt wie die Credit Suisse. Heute geführt von den Enkeln von Rudolph Sprüngli, dem etwas eigenwilligen Sprüngli-Nachkommen und vormaligen Eigentümer. «Wir sind», meinte einer der Enkel, Milan Prenosil vor kurzem in der NZZ, «eine Confiserie mit Liegenschaft, nicht eine Liegenschaft mit Confiserie. Das ist ein entscheidender Unterschied.» Das Café laufe sehr gut, meinte er, aber Renditegedanken stünden nicht im Vordergrund. Mit einem eingemieteten Luxuslabel würde man mehr verdienen.
Das ist tatsächlich der entscheidende Unterschied zum Nachbarn auf der anderen Seite, der Credit Suisse. Beim Sprüngli sind die Eigentümer mit ihrem Unternehmen liebevoll verbunden, während bei der Credit Suisse vor lauter globaler Orientierung und persönlicher Gier von Liebe nun wirklich keine Rede mehr sein kann, konnte und sicher auch nicht mehr sein wird.
Aber, und das erkannte ich in dem Moment auf dem Paradeplatz, auch in der Wirtschaft braucht es eine emotionale Verbundenheit mit dem, was man tut. «Call me an idiot», aber auch in der Wirtschaft braucht es Liebe. Die gewinnmaximierende und globale Ausrichtung einer Credit Suisse und anderer globalen Konzerne ist einfach «keine gute Idee». Weil jedes Unternehmen eine „emotionale Verankerung“ braucht. Letztlich ist das genau so wichtig wie die Strategie oder die Verkaufsplanung. Unternehmen, die diesen Anker verlieren, verwahrlosen emotional und gehen früher oder später unter.
Hoffe ich mindestens und bei der Credit Suisse stimmt’s ja auch.
PS: Mit dieser Erkenntnis auf dem Paradeplatz bin ich nicht ganz allein. Der Oxford Professor aus der ehemaligen Kohlenstadt Sheffield, Paul Collier, sieht es auch so. Er fordert einen sozialen Kapitalismus und einen ethischen Patriotismus. Und abgesehen davon liebt er wie ich die Schweiz. Ein Professor also mit Herz und Verstand.
Meine Empfehlung: Paul Collier, Sozialer Kapitalismus