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Gesundheit
09.10.2024
09.10.2024 18:01 Uhr

Das Kinderspital zieht bald um

Der eigentliche Kinderspital-Neubau ist bewusst einladend natürlich und mit viel Holz konzipiert. Das soll den Kindern die Angst nehmen.
Der eigentliche Kinderspital-Neubau ist bewusst einladend natürlich und mit viel Holz konzipiert. Das soll den Kindern die Angst nehmen. Bild: Maris Mezulis
Das Kinderspital machte im April Schlagzeilen, weil es faktisch pleite war. Nun wurde der auf den 2. November terminierte Umzug vom Altbau in Hottingen in zwei Neubauten in der Lengg feierlich begangen. «Architektur kann zur Heilung beitragen», sagt Stararchitekt Jacques Herzog.

Lorenz Steinmann

Noch im April dieses Jahres machte das Kinderspital besorgniserregende Schlagzeilen. Das Vermögen der Eleonorenstiftung, der Trägerin des Spitals, sei mittlerweile komplett aufgebraucht, und der Betrieb des «Kispis» sei ab Mitte 2024 akut gefährdet. Doch dann sprang der Kanton  unter der Federführung von Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) in die Bresche. Das bestehende Darlehen des Kantons für das Kinderspital wurde um 100 Millionen auf 250 Millionen Franken erhöht. Zusätzlich gab es für das laufende Jahr Subventionen in der Höhe von 35 Millionen Franken. Das gab der Institution Luft – auch im Hinblick auf die beiden Neubauten in der Lengg. Diese wurden lange geplant, um den engen Verhältnissen am bisherigen Standort in Hottingen zu entkommen. Dort steht das alte Spital seit 1874 und wurde immer wieder erweitert. Doch das seit der Gründung privat geführte und von einer Stiftung finanzierte Spital glich je länger, je mehr einem Provisorium.

Martin Vollenwyder bedankt sich

So freuen sich nun alle Beteiligten, dass es am 2. November 2024 so weit ist: Das neue «Universitäts-Kinderspital Zürich» öffnet seine Türen und markiert damit den Abschluss eines Jahrhundertprojekts und den Start eines neuen Kapitels für die Kindermedizin der Schweiz. «Die Vorfreude auf den sehnlichst erwarteten hochmodernen Neubau ist gross», hiess es an einem Medienrundgang. «Der Neubau markiert einen Meilenstein, welcher der Kindermedizin und -chirurgie neue Türen öffnet und die bereits heute exzellente Behandlung weiter verbessert. Ein Jahrhundertprojekt, das im besonderen Masse dank der Unterstützung der Bevölkerung und zahlreicher Spenderinnen und Spender möglich ist», sagte Martin Vollenwyder, Stiftungsratspräsident der Eleonorenstiftung, an der Einweihung. Kein Thema hingegen war die «komplette Kostenüberschreitung beim Bau von Herzog & de Meuron: von 650 auf 760 Millionen Franken», wie das Finanzportal «Inside Paradeplatz» bissig schrieb. Doch bleiben wir beim Positiven.

Das Kinderspital Zürich habe sich nicht nur zur grössten und bedeutendsten pädiatrischen Einrichtung der Schweiz entwickelt, sondern geniesse auch international hohes Ansehen für seine medizinische Versorgung und Forschung, sagte Regierungspräsidentin Natalie Rickli. «Das Kinderspital ist für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen für den Kanton Zürich, aber auch für die Schweiz von zentraler Bedeutung. Mit dem Neubau werden die Voraussetzungen geschaffen, damit das Spital diese wichitge Aufgabe auch in Zukunft erfüllen kann», so Rickli.

Die Inneneinrichtungen sind bewusst kinderfreundlich gehalten. Bild: Maris Mezulis

Kinder und Familien im Fokus

Das neue Kinderspital setzt laut den Medienunterlagen neue Massstäbe in Vielseitigkeit, Funktionalität, Patientenwohlbefinden sowie ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. «Im Zentrum stand dabei zu jeder Zeit das Wohlbefinden der Patientinnen, Patienten und Mitarbeitenden», sagt Georg Schäppi, CEO des Universitäts-Kinderspitals Zürich. Der Neubau schaffe eine Umgebung, die den Genesungsverlauf der kranken Kinder und Jugendlichen sowie das Wohl der Familien unterstütze.

Der anschliessend im Fokus stehende Stararchitekt Jacques Herzog von Herzog & de Meuron aus Basel wagte eine steile These. «Ein Spital ist ein Ort, wo sich Menschen in einer oft schwierigen Lebenslage aufhalten. Und dennoch gehören Spitäler ironischerweise oft zu den hässlichsten Orten. In den letzten 20 Jahren haben wir uns verstärkt um dieses Thema bemüht – am Kinderspital kann man das nun selbst erfahren: wie beispielsweise ein unterschiedlicher Lichteinfall und wechselnde Proportionen ­einen Raum beleben und verändern können. Wie Pflanzen den Innen- und den Aussenraum ineinander übergehen lassen. Oder wenn Materialien nicht nur schön anzusehen, sondern auch angenehm sind, wenn man sie berührt.» Architektur könne zur Heilung beitragen, ist sagt Herzog überzeugt.

Das neue Kinderspital verfügt über Einzel- und Zweibettzimmer, die Ruhe und Geborgenheit bieten. Die Mutter oder der Vater können auf bequemen Liegen bei ihren Kindern übernachten. Zudem sorgen intelligente Raumkonzepte für eine optimale Nutzung, effiziente Prozesse und eine bessere Patientenbetreuung. So sind die neuen Patientenräume bestimmten Stationen zugeordnet, können aber bei Bedarf zwischen benachbarten Stationen flexibel eingesetzt werden. «Diese Flexibilität fördert die Zusammenarbeit zwischen den Stationen und ermöglicht eine optimale Versorgung zu jeder Zeit», erklärt Spitaldirektor Georg Schäppi. Auch die Notfallstation erhält endlich die nötigen Raumkapazitäten – diese kann etwa bei grossem Andrang auf angrenzende Räume der Poliklinik ausgeweitet werden. Das neue Kinderspital bündelt medizinische Fachbereiche auf bestimmten Etagen. Dies war am alten Standort in Hottingen nicht möglich. Stationäre und ambulante Bereiche sind nun näher beisammen, was die Wege kürzer und die Abläufe laut dem Management effizienter macht. Chronisch kranke Kinder, die häufig Termine haben, können nun an einem zentralen Ort behandelt werden.

So sieht das eigenständige Gebäude für Forschung und Lehre aus. Bild: Maris Mezulis

Das weisse Ufo

Der Neubau des Kinderspitals umfasst auch ein eigenständiges Gebäude für Forschung und Lehre. Dieses auffällige, im Volksmund schon «Ufo» genannte Gebäude bietet den Forschungsteams die modernste Infrastruktur, um zukunftsweisende Therapien zu entwickeln. Die unmittelbare Nähe zum Akutspital ermöglicht es, medizinische Erkenntnisse direkt in die Behandlung von schwer kranken Kindern einfliessen zu lassen, wodurch Leben gerettet werden kann. Im neuen Gebäude für Forschung und Lehre finden nun auch Lehrbetrieb und Ausbildung ihren festen Platz: Angehende Chirurginnen, Ärzte und Pflegefachpersonen erhalten hier wertvolle Ausbildungs- und Lernmöglichkeiten. Durch die enge Verzahnung von Praxis und Lehre wird nicht nur die medizinische Ausbildung gestärkt, sondern es wird auch dem Fachkräftemangel aktiv entgegengewirkt.

Und was passiert mit dem alten Kinderspital? Der Kanton möchte es ab­reissen und hier ein neues Institut für Zahnmedizin erstellen. Ein Komitee aus Anwohnerinnen und Anwohnern möchte hingegen erreichen, dass das alte Gebäude weiterverwendet werden soll. Das sei umweltfreundlicher als abreissen und neu bauen. Zudem habe es im Quartier zu wenig Wohnraum, gerade für Ältere.

Lorenz Steinmann/Zürich24