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Zürich 2
16.10.2024
18.10.2024 17:08 Uhr

Stiftung testet neue Wohnform

Die ehemalige SP-Stadträtin Claudia Nielsen ist Geschäftsführerin der Stiftung Renggergut. Die Stiftung erprobt ein neues Wohnmodell.
Die ehemalige SP-Stadträtin Claudia Nielsen ist Geschäftsführerin der Stiftung Renggergut. Die Stiftung erprobt ein neues Wohnmodell. Bild: Pia Meier
Im Renggergut in Wollishofen leben ältere Menschen ab 55 Jahren, die ein neues Wohnmodell erproben wollen. Die Hausgemeinschaft bietet bezahlbare Wohnungen und viel Gemeinschaftliches – und sie will expandieren.

Pia Meier

Vor dem Renggergut an der Renggerstrasse in Wollishofen stehen zwei Bänke. «Auf einem dieser Bänke sitzt häufig ein Mieter, der raucht», sagt Claudia Nielsen, Geschäftsführerin der Stiftung Renggergut und ehemalige SP-Stadträtin. Dies sei eine Gelegenheit für einen Schwatz mit anderen Mieterinnen und Mietern oder Passanten.

Das Gemeinschaftliche steht im Renggergut im Mittelpunkt. Möglichkeiten für Begegnungen gibt es neben dem Vorgarten viele: So bietet das fünfstöckige Haus Gemeinschaftsflächen wie ein Entrée für zufällige Begegnungen, einen Waschsalon, Gemeinschaftsräume mit Küche, eine Bibliothek, einen Fitnessraum, ein Gästezimmer, einen Gemeinschaftsgarten und vor allem eine Dachterrasse mit Seeblick.

Und nicht zuletzt gibt es einen Raum, über den die Bewohnenden selber bestimmen. Im grossen Gemeinschaftsraum können Bewohnende gemeinsam kochen und essen oder auch Versammlungen oder Veranstaltungen durchführen. Öffentliche Veranstaltungen im Oktober/November sind zum Beispiel das Rengger-Znacht oder ein Konzert des Carmina-Trios sowie eine Probelektion Bewegung für Ü60.

Zudem wird der hindernisfreie Raum mit Küche extern vermietet für Feste, Zusammenkünfte oder öffentliche Anlässe. «Wir möchten uns damit am Quartierleben beteiligen», sagt Nielsen. Ebenfalls extern vermietet wird das Gästezimmer.

Auch im kleineren Gemeinschaftsraum treffen sich die Bewohnenden zum Essen. Bild: Pia Meier

Bezahlbarer Wohnraum schaffen

Die Bewohnenden sind alle Ü55. Sie testen gemeinsam dieses neue Wohnmodell. Alle Bewohnenden können sich einbringen, wollen aber gleichzeitig nicht auf ihre Selbstbestimmtheit verzichten. Seit Februar bezog die Hausgemeinschaft das über 100-jährige Gebäude. Das Haus, in dem sich früher ein Altersheim befand, wurde umfassend und nachhaltig saniert.

Die Hausgemeinschaft bietet zahlbare Wohnungen. Die gemeinnützige Stiftung Renggergut erstellte hindernisfreie 1- bis 3-Zimmer-Wohnungen für 1 oder 2 Personen. Die Miete berechnet sich nach dem Kostenmietsystem: So kostet eine Wohnung inklusive Anteil an den üppigen Gemeinschaftsflächen zwischen 1150 und 2350 Franken. Ein Teil der 31 bis 69 Quadratmeter grossen Wohnungen ist ausserdem subventioniert, damit sich diese auch Menschen mit geringem Einkommen leisten können. Die 29 Bewohnenden im Alter zwischen 58 und 92 Jahren hatten in einem ausführlichen Bewerbungsprozess Gelegenheit, sich mit dieser Wohnform zu befassen. Wer über 55 Jahre alt ist und sich gesellschaftlich engagiert (hatte), erhielt eine Chance. Dazu kommen Vermietungskriterien wie kein Auto oder in Zürich wohnhaft.

Die Hausgemeinschaft wird extern begleitet und von der Stiftung unterstützt. Ziel ist, dass sie zu einer lebhaften Gemeinschaft zusammenwächst und die Nutzung ihrer Räume selbstbestimmt organisiert. Gleichzeitig haben alle Mieterinnen und Mieter ihre Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten, ganz nach dem Motto «selbstbestimmt und doch gemeinschaftlich».

Das Gästezimmer für ein bis zwei Personen ist gemütlich eingerichtet. Bild: Pia Meier

Bewohnende haben Ämtli

«Wir sehen es als Gesellschaftslabor, in dem gemeinschaftliches Wohnen in der zweiten Lebenshälfte ausprobiert werden kann», so Nielsen. Auch sei es der Stiftung Renggergut wichtig, dass die Hausgemeinschaft vielfältig zusammengesetzt sei. «Aktuell stammen die Mieterinnen und Mieter zum Beispiel  aus fast allen Gesellschaftsschichten, haben oder hatten unterschiedliche Berufe.»

Alle Bewohnenden haben ein Ämtli wie die Betreuung der «Familienküche», der Kaffeemaschinen oder der Bibliothek. Ziel ist auch, dass sich die Bewohnenden kennen lernen. Auch neue Ideen oder Konflikte sollen besprochen werden. «Dafür gibt es regelmässig Rengger-Runden, die eine externe Fachperson moderiert», sagt Nielsen. «Das Modell Renggergut ist, soweit ich weiss, neu für die Stadt Zürich und darüber hinaus», so Nielsen.

Zusätzlich gibt es im Renggergut Gewerberäume: eine Galerie, ein Lebensmitteldepot, eine Grafikdesignern, Coaching, eine Praxis für Energiearbeit sowie die Stiftung Renggergut mit ihrem Geschäftssitz.

Weil die Nachfrage nach diesem Wohnmodell gross ist, möchte die Stiftung möglichst bald eine weitere Liegenschaft im Raum Zürich erwerben, die ähnlich gross oder grösser ist. «Von zahlbaren Angeboten erfahren wir gerne», so Nielsen. Geschäftsführerin im Renggergut ist ihr grösstes Mandat. Die frühere Politikerin ist heute selbstständig tätig. Nielsen: «Ich mache das gerne. Das ist ein Privileg.»

Weitere Informationen zu öffentlichen Veranstaltungen: www.renggergut.ch

Pia Meier/Zürich24