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Stadt Zürich
05.11.2024
06.11.2024 20:23 Uhr

US-Wahlen: Gemeinsam hoffen und gemeinsam zittern

Auf die Resultate dieser «Battleground States» wartete das Publikum sehnlichst.
Auf die Resultate dieser «Battleground States» wartete das Publikum sehnlichst. Bild: Pascal Turin
Zürich als Vorort von Washington: An der «Wahl(frei)nacht» der Democrats Abroad Zurich und der SP Zürich 7 und 8 im Gemeinschaftszentrum Riesbach gab man sich betont locker und harrte der Dinge.

Wer gewinnt die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten? Schafft die aktuelle US-Vizepräsidentin Kamala Harris den Einzug ins Weisse Haus oder gelingt dem ehemaligen Präsident Donald Trump die Rückkehr ins Zentrum der Macht? Gemeinsam mit den Democrats Abroad Zurich führte die SP Zürich 7 und 8 eine sogenannte «Wahl(frei)nacht» im Gemeinschaftszentrum (GZ) Riesbach durch. Der Anlass hat bereits Tradition, wird er doch seit 2004 – mit Ausnahme von 2020 wegen der Corona-Pandemie – alle vier Jahre durchgeführt.

Diskutierten auf dem Podium (v. l.): Apolonio Huerta von Democrats Abroad Zurich, USA-Expertin Darcy Alexandra, SP-Nationalrat Fabian Molina, USA-Expertin Elena Schaef und USA-Experte Jonathan Slapin. Die Moderation übernahm Jean-Daniel Strub , Co-Präsident der SP Kanton Zürich. Bild: Pascal Turin

Den Anfang der Veranstaltung machte um 22.30 Uhr eine Podiumsdiskussion. An dieser nahmen neben Apolonio Huerta von den Democrats Abroad Zurich, auch Sozialanthropologin Darcy Alexandra, SP-Nationalrat Fabian Molina, Englischlehrerin Elena Schaef und Jonathan Slapin, Professor für politische Institutionen und europäische Politik an der Universität Zürich, teil.

«Ich fände es eigentlich spannend wenn bei solchen Podiumsgesprächen alle Seiten vertreten wären. Aber die Fronten zwischen Demokraten und Republikanern sind so verhärtet, dass leider keine wirkliche Diskussion mehr entstehen kann», sagt Jean-Daniel Strub, Co-Präsident der SP Kanton Zürich. Bild: Pascal Turin

Die Moderation des Gesprächs übernahm Jean-Daniel Strub. Der Co-Präsident der SP Kanton Zürich musste nur wenig eingreifen, da die Diskussion nie wirklich kontrovers wurde. Dies lag auch daran, dass kein Anhänger der Republikaner auf der Bühne sass – was aber laut Strub Absicht war. «Ich fände es eigentlich spannend wenn bei solchen Podiumsgesprächen alle Seiten vertreten wären. Aber die Fronten zwischen Demokraten und Republikanern sind so verhärtet, dass leider keine wirkliche Diskussion mehr entstehen kann», sagte der Politiker. Seine Sympathien würden klar bei Harris liegen, doch die gleiche Euphorie wie damals 2008 bei Barack Obama spüre er nicht.

Catherine Keith hat Kamala Harris gewählt, weil sie aus ihrer Sicht ganz klar die bessere Wahl ist. Bild: Pascal Turin

Noch ist man vorsichtig optimistisch

Während auf der Bühne im Saal des GZ noch intensiv diskutiert wurde, hatten sich im Foyer mit der Bar schon viele weitere Besucherinnen und Besucher eingefunden. Viele davon gönnten sich ein Bier oder verpflegten sich mit einem Hot Dog. Die Stimmung war betont locker, man unterhielt sich und versuchte, sich gegenseitig gut zuzureden.

«Ich habe ein gutes Gefühl, aber ich bin auch noch etwas traumatisiert von 2016 und darum sehr nervös», sagte Catherine Keith. Sie habe Kamala Harris gewählt, weil ganz klar die bessere Wahl sei. «Natürlich spielt es für mich auch eine Rolle, dass sie afroamerikanische und asiatisch-amerikanische Wurzeln hat und als erste Frau US-Präsidentin werden könnte. Das wäre historisch.»

Judy Brown von den Democrats Abroad Zurich verkauft mit ihren Kollegen an einem Stand Fanartikel. Bild: Pascal Turin

Auch Judy Brown, Kassiererin bei den Democrats Abroad Zurich, zeigte sich vorsichtig optimistisch. Sie verkaufte mit ihren Kolleginnen und Kollegen Harris-Fanartikel an einem kleinen Stand beim Eingang des GZ. Die blauen T-Shirts mit der Aufschrift «When we vote, we win!» gingen weg wie warme Weggli. Von ursprünglich 30 Stück waren schon kurz vor Mitternacht nur noch 4 übrig.

Nach 1 Uhr lichteten sich zwar langsam die Reihen, weil wohl einige das Kissen lockte, doch eine stattliche Anzahl Menschen wollte weiter durchhalten. Dazu gehörte eine Gruppe Stadtzürcher Gemeinderätinnen und Gemeinderäte. Martin Bürki (FDP), Liv Mahrer (SP), Ivo Bieri (SP), Sofia Karakostas (SP) und Sven Sobernheim (GLP) hofften auf eine spannende Wahlnacht und waren sichtlich guter Laune – trotz vorgerückter Stunde.

Hoffen auf eine spannende Wahlnacht (v. l.): Die Gemeinderäte Martin Bürki (FDP), Liv Mahrer (SP), Ivo Bieri (SP), Sofia Karakostas (SP) und Sven Sobernheim (GLP). Bild: Pascal Turin

Langsam übernimmt die Müdigkeit

Sein Lächeln auch um 2 Uhr nicht verloren hatte Apolonio Huerta. Der Vorsitzende der Democrats Abroad Zurich verfolgte mit Spannung die langsam herein tröpfelnden Resultate, mass ihnen aber noch nicht allzu viel Gewicht bei. «Bisher gab es keine Überraschungen», sagte Huerta. Die meisten bevölkerungsreichen Staaten müssten erst noch ausgezählt werden und am Ende komme es sowieso auf die sogenannten umkämpften Swing States an.

Apolonio Huerta ist Vorsitzender der Democrats Abroad Zurich, der Ableger der Demokraten in der Limmatstadt. Bild: Pascal Turin

Auf die Resultate dieser «Battleground States» wartete das Publikum sehnlichst. Während die News-Moderatoren immer wieder neue vorläufige Zahlen verkündeten, machte sich die Müdigkeit bei den Anwesenden immer mehr bemerkbar. Kein Wunder: Mittlerweile war es fast 4 Uhr morgens. Viele starrten darum stumm auf eine der drei Leinwände in unterschiedlichen Räumen im GZ, auf denen «Sky News», «NBC News» oder «CNN» gezeigt wurde – je nach Gusto.

Die Stimmung war gegen Schluss ziemlich gedämpft, denn Donald Trump schien das Momentum auf seiner Seite zu haben. Das gefiel der überwiegenden Mehrheit hier gar nicht. Nach 5 Uhr waren wirklich nur noch die Hartgesottenen im GZ. Eine Entscheidung in den Swing States stand zwar aus, aber die meisten Anwesenden hatten fast keine Hoffnungen mehr auf einen Sieg von Kamala Harris. Es hätte jetzt aus ihrer Sicht fast ein Wunder gebraucht. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt keine zuverlässige Prognose möglich und das Rennen um die Präsidentschaft nicht gelaufen.

Doch unabhängig vom Resultat hatten die Organisatorinnen und Organisatoren nur wenig später mit dem Aufräumen begonnen. Stühle wurden zusammengestellt, in der Küche wurde das Geschirr gespült. Jemand war auf einem Sofa eingenickt und die letzten Unverbesserlichen hatten sich um die Leinwand versammelt, auf der «CNN»-Moderatoren unablässig neue Zwischenresultate bekannt gaben.

Und wir von Zürich24 sagten um 6 Uhr tschüss und gingen dann auch bald schlafen.

Das musst du zum Electoral College wissen

In den USA wählen die Stimmberechtigten ihre Präsidentin oder ihren Präsidenten nicht direkt. Bei den US-Präsidentschaftswahlen handelt es sich eigentlich um Wahlen in jedem einzelnen Bundesstaat.

Zu vergeben sind insgesamt 538 Wahlmännerstimmen. Diese sind auf die einzelnen Bundesstaaten verteilt – die Zahl der Wahlmännerstimmen setzt sich aus der Anzahl seiner Kongressabgeordneten zusammen. Jeder Bundesstaat hat aber mindestens 3 Wahlmännerstimmen, unabhängig von der Bevölkerungszahl. Zum Vergleich: Kalifornien hat 54 Wahlmännerstimmen zu vergeben, Texas 40. Das bevölkerungsarme Wyoming hat hingegen nur 3 Wahlmännerstimmen.

In 48 der 50 Bundesstaaten holt derjenige die Stimmen aller Wahlleute des Staates, der die Mehrheit der Wählerstimmen gewinnt. Es handelt sich dabei um das «Winner-Takes-All»-System. Maine und Nebraska bilden die Ausnahmen. Dort werden die Wahlleute nach einem anderen System vergeben und aufgeteilt.

Wer gewinnen will, braucht 270 Wahlmännerstimmen oder mehr.

Pascal Turin/Zürich24