Pascal Turin
Im Tierpark Langenberg geboren und in Deutschland in die Freiheit entlassen: Im August wurde das Luchsweibchen Vreni im Freistaat Thüringen ausgewildert. Hintergrund ist, dass die frei lebenden Luchse in West- und Zentraleuropa durch Inzucht bedroht sind. «Die bestehenden Populationen müssen besser miteinander vernetzt werden, um den regelmässigen genetischen Austausch zwischen ihnen zu sichern», schrieb die Stiftung Wildnispark Zürich vor rund zwei Monaten in einer Mitteilung. Der Tierpark Langenberg gehört mit dem Naturerlebnispark Sihlwald zur Stiftung.
Jetzt gibt es Good News: «Sie macht sich sehr gut, unsere junge Schweizerin», meldet Markus Port, Projektkoordinator von «Luchs Thüringen». Zu Beginn habe sie kleine Beutetiere erlegt, doch mittlerweile habe sie auch mehrere Rehe erbeuten können. «Obwohl Vreni also als Gehegetier niemals zuvor ein Reh jagen konnte, macht sie das bereits sehr erfolgreich und unterscheidet sich in ihrem Beuteverhalten bislang kaum von einem in freier Wildbahn geborenen Luchs», so Luchsexperte Port gemäss der kürzlich verschickten Mitteilung des Wildnisparks Zürich.
Gut auf die Wildnis vorbereitet
Auch in der Schweiz zeigt man sich erfreut: «Rehe sind laut Statistik die Hauptbeute von frei lebenden Luchsen. Wir haben Vreni im Tierpark Langenberg gezielt darauf vorbereitet», lässt sich Karin Hindenlang Clerc in der Mitteilung zitieren. Sie ist die Geschäftsführerin des Wildnisparks Zürich. Luchse, die ausgewildert werden sollen, würden im Wildnispark Zürich nur Futtertiere erhalten, die denjenigen in der Wildnis entsprächen – beispielsweise Rehe und Hirsche.
Die Luchsanlage im Tierpark Langenberg ist gemäss dem Wildnispark eine von wenigen in Europa, wo junge Luchse auf ein selbstständiges Leben in freier Wildbahn vorbereitet werden können. Sie werden mit möglichst wenig Menschenkontakt aufgezogen.
Sie sind wichtig für das Ökosystem
Luchse sitzen zuoberst in der Nahrungskette und füllen damit eine Nische, die von keinem anderen Tier in Westeuropa besetzt wird. Die Wildkatzen spielen eine wichtige Rolle für die Biodiversität – weil sie Paarhufer jagen. «Pro Woche verzehrt ein Luchs ungefähr ein Reh oder eine Gämse. Rehe und Gämsen wiederum fressen vorzugsweise junge Bäume oder Triebe», schreibt das Bundesamt für Umwelt auf seiner Website. Würden zu viele Paarhufer in einem Waldgebiet leben, habe der Wald kaum Chancen nachzuwachsen. Der Luchs reguliert den Bestand der Paarhufer und fördert damit die Verjüngung des Waldes.
Doch zurück zu Luchsin Vreni. Sie hat seit ihrer Auswilderung etwa einen Aktionsradius von sieben Quadratkilometern in der Nähe ihres Freilassungsgeheges. Damit ist sie laut Mitteilung des Wildnisparks kleinräumig unterwegs. Für ein frisch ausgewildertes Tier sei das normal. Eine wild lebende Luchsin hat ein Streifgebiet von über 50 Quadratkilometern.
Der mit Vreni ausgewilderte Luchs Kilian aus Nürnberg soll sich in ihrer Nähe aufhalten. Dies wird zum Zeitpunkt der Mitteilung aufgrund der Senderdaten vermutet. Und das wäre insofern gut, weil die Hoffnung besteht, dass sich die Wildkatzen miteinander paaren. Die Chancen für Nachwuchs stehen nicht schlecht – schon vor der Freilassung in die Wildnis hätten sie sich im Gehege im Wildkatzendorf Hütscheroda sehr gut verstanden.