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Sport
22.11.2024
23.11.2024 16:11 Uhr

Vom Eis ins Klassenzimmer und zurück

Lisa Rüedi (24) ist Stürmerin bei den ZSC Lions Frauen und war in der vergangenen Saison Playoff-Topscorerin.
Lisa Rüedi (24) ist Stürmerin bei den ZSC Lions Frauen und war in der vergangenen Saison Playoff-Topscorerin. Bild: Pascal Turin
Ihr Palmarès liest sich beeindruckend: Lisa Rüedi hat mit den ZSC Lions Frauen fünf Meistertitel gewonnen und als Stürmerin im Nationalteam zweimal an Olympischen Winterspielen teilgenommen. Und als wäre das nicht genug, studiert die 24‑Jährige ausserdem an der Pädagogischen Hochschule Zürich.

Pascal Turin

Das Sportzentrum Heuried kann man nur schwer mit dem Hexenkessel Swiss Life Arena vergleichen. Zwar sind beides moderne Hallen, doch während die ZSC Lions vor bis zu 12 000 Zuschauerinnen und Zuschauern in ihrem neuen Hockeytempel in Altstetten auflaufen, hält sich der Publikumsaufmarsch bei Spielen der ZSC Lions Frauen im Wiediker Heuried in der Regel in Grenzen. Auf der Tribüne haben maximal 300 Personen Platz.

Dass das Frauen-Eishockey in der Schweiz im Schatten des Männer-Eishockeys steht, ist keine Neuigkeit. Aber die Situation verbessert sich langsam, die ZSC-Frauen durften ihre Playoff-Spiele in der Swiss Life Arena austragen und mit den Frauenteams des SC Bern und des EV Zug ist dem «Zett» mittlerweile harte Konkurrenz in der Women’s League erwachsen (siehe Kasten).

Auch Schwester war ZSC-Spielerin

Wer in der Schweiz als Frau Eishockey spielt, macht das nicht wegen des Geldes oder des Ruhms, sondern wegen der Liebe für den Sport. Eine davon ist Lisa Rüedi, Leistungsträgerin der ZSC Lions Frauen in der höchsten Schweizer Liga.

Die 24‑Jährige begann als junges Mädchen mit dem Eishockey. «Mein Vater und Grossvater hatten beim Akademischen Eishockey-Club Zürich gespielt, meine beiden Brüder Nico und Gianni waren ZSC-Nachwuchsspieler und meine Schwester Anna spielte ebenfalls für die ZSC-Frauen», erzählt die Stürmerin.

Ihre Schwester Anna Rüedi, die seit ihrer Hochzeit mit Nachnamen Lazarev heisst, ist 30 Jahre alt und Zahnärztin. Sie lief zuletzt für das Frauenteam des EHC Wallisellen in der Swiss Women’s Hockey League C auf, der dritthöchsten Liga. Lisa Rüedi: «Anna ist mein Vorbild. Ich habe immer zu ihr hochgeschaut, besonders wegen ihres Gewinnerinstinkts.» Worte, die ihrer Schwester runtergehen dürften wie Honig.

Lisa Rüedi selbst kann einen beein­druckenden Palmarès vorweisen. Mit den ZSC-Frauen holte die angehende Primarlehrerin bereits fünf Meistertitel. In der Saison 2023/24 war sie Playoff-Topscorerin und sogar als Most Valuable Player (wertvollste Spielerin) nominiert. Auch im ­Nationalteam ist die ZSC-Spielerin eine feste Grösse. Sie nahm unter anderem an den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang und an den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking teil. Zudem vertrat sie die Schweiz schon an verschiedenen Weltmeisterschaften. Vergangene Saison konnte sie allerdings wegen eines obligatorischen Praktikums im Studium nicht an der WM auflaufen. «Die Verantwortlichen des Verbands hatten zum Glück Verständnis für meine Situation», sagt die angehende Primarlehrerin.

Im Moment ist die Stürmerin im fünften Semester der Ausbildung zur Primarlehrerin an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Statt in Utica, New York die Schweizer Farben an der WM vertreten zu können, unterrichtete Rüedi diesen Frühling in Dietlikon eine dritte Klasse. «Mir war es schon immer wichtig, dass ich ­einen Ausgleich zum Hockey habe. Ich bin vielseitig interessiert», sagt Rüedi.

Planung ist im Frauen-Eishockey das A und O. Der Lohn aus dem Sport reicht nämlich nicht zum Leben. «Man braucht ein zweites Standbein», so Rüedi. Immerhin sei es aber heute nicht mehr so, dass man 100 Prozent arbeiten müsse. Viele Teilzeitjobs oder auch ein Studium liessen sich gut mit dem Eishockeytraining vereinbaren. Rüedi hat sowieso eine positive Einstellung: «Wir sind auf einem guten Weg. Die Clubs investieren immer mehr in ihre Frauenteams.» Je erfolgreicher die Frauen seien, desto interessanter würden sie für Sponsoren und Publikum.

Ziel: Olympische Spiele 2026

Doch trotz allem bleibt der Weg aus dem Schatten des Männer-Eishockeys steinig, darum muss Rüedi bei ihrer Karriereplanung flexibel bleiben. Auch ein Wechsel zu einem Universitätsteam im Ausland hatte sie einmal ins Auge gefasst, schaute sich mehrere Campus in den USA an – darunter die Ohio State University und die University of Maine, welche für ihre Sportprogramme bekannt sind. Doch weil Rüedi entweder Lehrerin oder Ärztin werden wollte, war ein Studium im Ausland aus ihrer Sicht nicht ideal. «Ausserdem habe ich Zürich einfach gern und geniesse das Studentenleben hier sehr.»

Das nächste grosse sportliche Ziel sind die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Doch vorher muss Lisa Rüedi nächstes Semester ihre Bachelorarbeit schreiben.

Die ZSC Lions Frauen haben starke Konkurrenz erhalten

Jahrelang dominierten die ZSC Lions Frauen und die HC Ladies Lugano (früher Ladies Team Lugano) die Meisterschaft, doch die Women’s League ist ausgeglichener geworden. Plötzlich grüssen die SC Bern Frauen, die HC Davos Ladies oder der EV Zug von der Tabellenspitze. Insbesondere die Zuger investieren viel Geld ins Frauenhockey und haben von anderen Teams Spielerinnen abgeworben – was ungewohnt war für die Frauenteams in der Schweiz. Die ZSC-Frauen haben Konkurrenz erhalten. Immerhin: Die bisher neun Meistertitel wird ihnen niemand so schnell streitig machen. (pat.)

Mit den ZSC-Frauen holte Lisa Rüedi bereits fünf Meistertitel. Bild: Pascal Turin
Pascal Turin/Zürich24