Letzte Woche diskutierte der Gemeinderat über ein SVP-Postulat, das den Verzicht auf geschlechtsneutrale («genderneutrale») Toiletten in den Schulhäusern verlangt. Der «Tages-Anzeiger» hatte zuvor berichtet, dass der Stadtrat «auf die steigende Zahl von trans Schülerinnen und Schülern» reagiere und künftig in Schulhäusern drei Arten von Toiletten vorsehe.
Die Postulanten schrieben von «Gender-Gaga» und wiesen in der Ratsdebatte darauf hin, dass auf 250 Kinder nur etwa eines nicht eindeutig weiblich oder männlich sei bzw. empfinde. Es sei deshalb völlig unverhältnismässig, überall besondere Toiletten einzurichten. Abgesehen davon, dass sich trans Kinder mit der Benutzung besonderer Toiletten «outen» müssten.
Dem hielt ein Redner der linken Ratsseite entgegen, dieser und andere Vorstösse der SVP stellten «symbolische Gewalt» dar, es handle sich um eine «Kampagne», welche die Rechte von Minderheiten zerstöre. Der Verweis auf die geringe Zahl von Betroffenen sei «antidemokratisch» und trete die Rechte von Minderheiten mit Füssen. Mit einem solchen Vorgehen komme man in «sehr braune Gefilde».
Wie bitte? Wer die Verhältnismässigkeit einer Massnahme von der Zahl der Betroffenen abhängig macht, kommt in den Geruch einer totalitären Ideologie? Toiletten, die nur Männlein und Weiblein und kein drittes Geschlecht kennen, zerstören Minderheiten? Und alle, die so denken, sind böse?
Ich war schockiert ob dieser krassen Herabsetzung des politischen Gegners. Man kann sich natürlich fragen, wer angefangen hat. Die SVP mit ihrer Formulierung vom «Gender-Gaga» ist nicht unschuldig. Das rechtfertigt aber nicht, den Postulanten Menschenverachtung zu unterstellen. Wir müssen dringend zu Augenmass und Respekt zurückkehren. Tugenden, denen die Schweiz einen guten Teil ihres Erfolgs verdankt.
Auch ohne genderneutrale Toiletten gibt es für die ein, zwei trans Kinder pro Schulhaus ohne weiteres gute Lösungen, die von heute auf morgen umgesetzt werden können. Es braucht keine genderneutralen Toiletten, sondern mehr Respekt und weniger «Hänseln» bzw. «Mobben», wie man heute sagt. Das muss zu Hause beginnen, in der Schule geübt und im Ratssaal angewendet werden.
Die Fraktion Mitte und EVP und die SVP stimmten dem Postulat zu, alle andern Parteien lehnten ab. Schade. Es bringt nichts, Scheinlösungen zu bringen und zugleich die politischen Gegner brutal in eine Ecke zu stellen. Im Ratssaal wie auf den Schulhaustoiletten gilt es, jene zu ertragen, die anders sind und denken als wir selbst.