Lorenz Steinmann
Die so genannte Standortstrategie der Stadtpolizei geistert schon seit gegen zehn Jahren in Zürich herum. Auskünfte gab es nie, tröpfchenweise wurden Schliessungen von Quartierwachen verkündet: Leimbach, Seebach, Witikon, Grünau und Wollishofen. Kurz vor den Sommerferien liess das zuständige Sicherheitsdepartement nun die Katze aus dem Sack.
Das Resultat ist brutal – fast kein Stein bleibt auf dem anderen, fast keine Polizeiuniform am bisherigen Ort. Gut zwei Drittel der Polizeiwachen werden geschlossen. Dabei trifft es das Gebiet Zürich-Nord sowie Unterstrass besonders hart. Während im Limmattal zwei neue Grosswachen gebaut werden sollen, gehen die Quartierwachen Unterstrass, Affoltern und Schwamendingen 2025 ganz zu und werden in die Regionalwache Oerlikon (im ehemaligen Kreisgebäude) integriert.
Erst etwa im Jahr 2033 soll es dann einen neuen Stützpunkt Nord geben, von Grund auf neu gebaut im heutigen Airgate-Gebäude, bis dann geht auch Höngg zu. Diese ist recht peripher an der Grenze zu Opfikon gelegen. Wie man hört, sind die Polizisten gar nicht begeistert, dass sie dereinst vom Zentrum in Oerlikon an den Stadtrand zügeln müssen.
Fehlende Nachfrage?
Laut der Stadt sind die bisherigen Schalter, an denen Einwohnerinnen und Einwohner Anzeige erstatten oder ihre Anliegen deponieren können, nicht mehr so gefragt wie früher. «Viele Delikte können heute bequem und rund um die Uhr online angezeigt werden, was auch mehr und mehr genutzt wird», ist die Stadt überzeugt. So soll die polizeiliche Grundversorgung auf Stadtgebiet künftig nur noch von drei Stützpunkten und einem Hauptstandort aus erfolgen. Es soll einen Stützpunkt City geben, und zwar da, wo sich heute die Regionalwache City (Urania) befindet. Ein zweiter Stützpunkt (Stützpunkt West) ist auf dem Albis-Areal in Albisrieden vorgesehen (ein Neubau), ein dritter in Oerlikon im Airgate-Gebäude (Stützpunkt Nord).
Was erstaunt: Der Hauptstandort der Stadtpolizei Zürich soll in Zukunft nicht mehr im Stadtzentrum liegen, sondern im Kreis 5, an der Förrlibuckstrasse, in unmittelbarer Nähe zur vor gut einem Jahr eröffneten Kriminalabteilung der Stadtpolizei. Auch hier gilt: Die Stadt will einen Neubau realisieren.
Längere Öffnungszeiten
Die Stadt verspricht: Diese vier Standorte werden über ausgedehnte Öffnungszeiten verfügen. Ein Polizeistandort Aussersihl in der Nähe der Langstrasse wird beibehalten, betrieben durch den Stützpunkt West. Für die Stadtpolizei bringe die Zentralisierung eine grosse Effizienzsteigerung, heisst es in einer Medienmitteilung weiter. So könnten zudem Polizistinnen und Polizisten vermehrt dort eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden – auf der Strasse. So werde es künftig in den Quartieren mehr Streifenwagen-, Bike- oder Fusspatrouillen geben, wodurch die Polizei für die Bevölkerung sichtbarer und besser ansprechbar werde. Und: Die Quartierverantwortung und somit die polizeilichen Ansprechpersonen im Quartier sollen bestehen bleiben. Etwa die bekannten und mit den lokalen Gegebenheiten vertrauten Polizeileute, welche sich mit Räbeliechtliumzügen, Quartierfesten und etwa lauten Hotspots auskennen.
Trotz dieser Versprechen kommt das Streichkonzert nicht überall gut an. Vor allem, dass es in Zürich-Nord mit über 200 000 Einwohnerinnen und Einwohnern nur noch einen Posten geben soll, sorgt für Irritationen. Werden so nicht grössere Gebiete vernachlässigt? Ist es nicht einfach ein weiterer Abbau an öffentlichen Angeboten?
Pia Meier, Quartiervereinspräsidentin von Affoltern, bemängelt, dass es in Affoltern mit 27 000 Einwohnerinnen und Einwohnern bald keine Einrichtung der Stadt mehr habe – und auch die Poststelle sei nicht mehr über Jahre gesichert. Allgemein wird festgestellt, dass es «der Stadt irgendwie doch nicht ganz geheuer ist mit dem Dienstleistungsabbau». Ob darum das System der sozialen Drehscheiben ausgebaut wurde? Das sind Anlaufstellen des Sozialdepartements für Anliegen aus dem täglichen Leben. An den Pilotprojekten in Oerlikon und Albisrieden wird festgehalten, die Stadt will diese Art der Bürgernähe in Zukunft womöglich noch ausbauen. Denn Zürich-Nord wächst städtisch gesehen überproportional.