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Auf dem Velo durch Zürichs Wilden Westen

Urs Riklin, Gemeinderat Grüne, Wahlkreis 3
Urs Riklin, Gemeinderat Grüne, Wahlkreis 3 Bild: zvg
Und da wird klar, dass die Velovorzugsroute à la Zürich vielleicht nicht ganz selbst­erklärend wie erhofft ist.

Zugegeben: Über die neue Velovorzugsroute an der Baslerstrasse mit den grünen Streifen wurde schon einiges geschrieben und nicht wenig geschimpft. Und pflegten wir eine ausgeprägtere Witzkultur, würde man sich in den Kneipen landauf, landab wohl Witze darüber ausdenken wie: «Wie erkennst du, dass du in der Stadt Zürich auf einer Velovorzugsroute fährst? – Wenn du dich mit dem Velo an Autokolonnen vorbeizwängen musst!»

Glücklicherweise sind solch flapsige Sprüche im Alltag nicht mehr so en vogue. Anders verhält es sich, wenn im Stadtparlament übers Velofahren diskutiert wird. Verbal fühle ich mich hierbei nicht selten in den Wilden Westen versetzt. Da wird von rechts breitbeinig mit Worten aus dem Saloon geschossen. Fazit: Auf der Strasse gälte am Ende halt doch irgendwie das Recht des Stärkeren. Und sowieso: Velofahrende hätten sich erst einmal an die Regeln zu halten!

An diese Worte denke ich, wenn ich mit dem Velo im realen Wilden Westen von Zürich unterwegs bin. Sprich: Auf der Velovorzugsroute mit den grünen Streifen. An diese Worte denke ich, wenn ich am helllichten Nachmittag von fünf Autos überholt werde, obschon dort eigentlich gar keine Autos fahren dürften. Oder Fahrzeuglenkende in die Route einbiegen, obschon ein Einbiegeverbot besteht. Aber ja. Mensch, wie ich bin, gehe ich davon aus, dass sich niemand absichtlich in eine unvorteilhafte Situation begibt, in der man anschliessend Busse tun müsste. Von daher muss ich annehmen, dass andere Verkehrsteilnehmende möglicherweise nur selektiv Strassenschilder lesen oder nicht verstehen, was es eigentlich mit den grünen Streifen am Strassenrand auf sich hat.

Und da wird klar, dass die Velovorzugsroute à la Zürich vielleicht nicht ganz selbsterklärend wie erhofft ist. Vielen Leuten ist vermutlich nicht bewusst, dass sie sich auf einer Velovorzugsroute befinden und welche Verkehrsregeln auf diesen speziellen Routen gelten. Und gleichzeitig fragt man sich: Wie wäre der Auftakt an der Baslerstrasse wohl gelungen, hätte die Stadt von Beginn weg eine klare Begleitkommunikation aufgegleist? Zum Beispiel eine Website, auf welcher die Verkehrs­regeln einfach, sympathisch und übersichtlich erklärt werden? Oder quer aufgespannte Strassenbanner, welche die Velovorzugsroute unübersehbar beschriften? Leider ist auch jetzt im Sommer, während viele Zürcherinnen und Zürcher mit dem Velo unterwegs sind, von einer solchen unterstützenden Begleitkommunikation wenig zu sehen. Einmal mehr wird den Velofahrenden in Zürich viel Intuition zugemutet. Da beginne ich als Gemeinderat unweigerlich, an die Wunschliste für die kommenden Weihnachten zu denken.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Urs Riklin