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Demo, Demo, Demo – für ein vorgängiges Bewilligungsverfahren

Andreas Egli, Gemeinderat FDP, Wahlkreis 6
Andreas Egli, Gemeinderat FDP, Wahlkreis 6 Bild: zvg
Ziel des Bewilligungsverfahrens ist, dass eine Demonstration stattfinden kann, gleichzeitig aber Dritte nur minimal tangiert werden.

In Bern werden Grossdemonstrationen bis Ende Jahr aus Sicherheitsgründen verboten. Gleichzeitig verkündet die Stadtzürcher Sicherheitsvorsteherin Rykart, dass Demonstrationen bis 100 Teilnehmende zukünftig bewilligungsfrei sein sollen. Das eine ist eine fragwürdige Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit, das andere ein fragwürdiger Schnellschuss.

Auch Rechte brauchen Regeln: Demonstrieren ist Teil der Meinungsäusserungsfreiheit und damit verfassungsmässiges Recht. Eine Demonstration auf öffentlichem Grund ist allerdings auch gesteigerter Gemeingebrauch. Derselbe Platz kann während einer Demonstration nicht gleichzeitig von anderen genutzt werden. Eine von Demonstranten besetzte Kreuzung kann nicht befahren oder Kunden können durch Demonstranten am Eintritt in ein Geschäft gehindert werden. Das erzeugt zwar mediale Aufmerksamkeit, aber solche Blockaden sind im Ergebnis Nötigungen oder Störungen des öffentlichen Verkehrs. Es ist das Recht – und die Pflicht – der Exekutive, eine bestimmungsgemässe Nutzung des öffentlichen Raums mit dem Demonstrationsrecht zu koordinieren.

Bewilligungsverfahren schafft Klarheit: Ziel des Bewilligungsverfahrens ist, dass eine Demonstration stattfinden kann, gleichzeitig aber Dritte nur minimal tangiert werden. Dazu können Auflagen erlassen werden. Entscheide der Behörden dürfen nicht willkürlich sein (wie etwa durch ein Verbot vom «Marsch fürs Läbe»). Ohne Notstand dürfen Demonstrationen nicht über mehrere Wochen generell verboten werden. Und umgekehrt kann der öffentliche Raum nicht ohne Berücksichtigung der berechtigten Interessen Dritter für die ausschliessliche Nutzung durch Demonstrationen freigegeben werden; zwei «kleine» Demonstrationen à 99 Personen auf den Tramgleisen der Bahnhofstrasse und beim Central genügten, um den ÖV in der Stadt Zürich für Stunden zum Stillstand zu bringen.

Verantwortung der politischen Führung wäre gefragt: Die aktuellen Gemeinderatsmehrheiten haben ihren anarchistisch-libertären Antrag auf Bewilligungsverzicht für Demonstrationen gestellt. Die Sicherheitsvorsteherin Rykart will sich mit ihrer unkontrollierbaren 100er-Lösung aus der Verantwortung stehlen und bei absehbaren Problemen die Polizei zum Sündenbock machen. Das ist schlechter Stil. Die Stimmbevölkerung kann das im März 2024 mit einem Ja zur Bewilligungspflicht korrigieren. Meine Meinung: Alle Demos auf öffentlichem Grund mit mehr als einer Handvoll Teilnehmenden sollen das vorgängige Bewilligungsverfahren durchlaufen – und nicht alle Demos müssen am Samstag durch die Innenstadt laufen.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Andreas Egli