Die Debatte über einen Mindestlohn in der Stadt Zürich, zeigt, dass Die Mitte in der Lage ist, mehrheitsfähige Kompromisse zu schmieden. Die Initiative «Ein Lohn zum Leben» wurde von gemeinnützigen Organisationen, Gewerkschaften und linken Parteien eingereicht. Sie verlangt, dass Arbeitnehmende, die mehrheitlich in der Stadt Zürich arbeiten, einen Lohn von mindestens 23 Franken erhalten.
Ein staatlich verordneter Mindestlohnes ist systemfremd, denn soziale Partnerschaft ist ein erfolgreiches Instrument zur Sicherung des sozialen Friedens in der Schweiz. So sorgt die grosse Mehrheit der bestehenden Gesamtarbeitsverträge für existenzsichernde Einkommen. Dennoch verdienen 17 000 Personen bei einem 100 -Prozent-Arbeitspensum in der Stadt Zürich weniger als 4000 Franken.
In zwei Dritteln der Fälle sind Frauen davon betroffen. So hat mich folgende Nachricht eines Bürgers erreicht. «Ich kenne einige, die ihr Leben lang gechrampft haben und jetzt trotzdem Ergänzungsleistungen benötigen. Oder die Tochter meiner Nachbarin, die bei einer grossen Firma im Verkauf arbeitet, 31 Jahre alt, zwei Kinder und doch nur 3700 Franken auf 100 Prozent verdient. Zum Glück hat sie Eltern, die sie unterstützen können.»
Durch die Verordnung eines Mindestlohnes, ist damit zu rechnen, dass verschiedene Betriebe in finanzielle Bedrängnis geraten werden. Die Mitte konnte erreichen, dass der Stadtrat für Betriebe mit ausgewiesenen finanziellen Problemen einen Aufschub von zwei Jahren gewähren kann.
Die Sozialpartner haben also zwei Jahre Zeit, ihre Gesamtarbeitsverträge anzupassen. Es ist absehbar, dass die entstehenden Mehrkosten von den Konsumentinnen und Konsumenten zu tragen sind. Das ist nach Meinung der Mitte/EVP-Fraktion durchaus zumutbar, denn wer Reinigungskräfte, Verkaufs- und Servicepersonal in Anspruch nimmt, verfügt in der Regel über mindestens ein mittleres Einkommen.
Der Antrag der Mitte/EVP-Fraktion, den Mindestlohn auf 23.90 Franken festzusetzen und per 1. Januar 2024 zu indexieren, trägt der aussergewöhnlichen Teuerung im vergangenen Jahr Rechnung. Alle Anträge haben im Rat eine Mehrheit gefunden und das Initiativkomitee zieht die Initiative zurück. Sollte es zu einem Referendum kommen, kann die Bevölkerung über einen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verträgliche Lösung abstimmen.
Die extremen Forderungen von links und rechts sind ohne grosse Kollateralschäden nicht umsetzbar. Gegensätzliche Forderungen wie Verdichtung durch Förderung des Wohnungsbaues, Postulat nach mehr Bäumen auf Stadtgebiet, effizienter Öffentlicher Verkehr und Tempo 30 in der ganzen Stadt führen zu schwer auflösbaren Zielkonflikten. Kompromisse sind also in Zukunft mehr gefragt denn je.