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Aus dem Gemeinderat
14.06.2023
15.06.2023 09:28 Uhr

Parlament will keinen Nachfolger für Tukan «Bosi»

Roger Suter, Gemeinderat FDP, Wahlkreis 4 und 5
Roger Suter, Gemeinderat FDP, Wahlkreis 4 und 5 Bild: zvg
Schade, dass die Mehrheit kein Gehör für das ornithologische Gemüt unserer Stadt hatte.

Selten war eine Gemeinderatssitzung so emotional wie am 7. Juni 2023. Alfred Hitchcock wäre stolz gewesen, die Spannung hielt bis zum Schluss. Die Debatte zeugte von vertauschten Rollen: Die SP wollte Steuern sparen, die AL wollte keine Unruhe und enthielt sich, die Grünen beschlossen Stimmfreigabe und dem Fraktionschef der SVP wurde das Mikrofon abgestellt.

Was aber liess die Emotionen so hochgehen? Es ging um Federvieh, genauer um zwei «Ramphastos toco» (Riesentukan), die einen Vorgänger namens Bosi – welcher 2017 in die ewigen Vogeljagdgründe ging – ersetzen sollten. Tukan Bosi war der heimliche Star in der Stadtgärtnerei, er wurde dort von vielen Menschen bestaunt, war handzahm und somit dort heimisch. Er sorgte bei Jung und Alt für sehr viel Freude. Das Postulat von Flurin Capaul und meiner Wenigkeit forderte ein Tukanpärchen, welches wieder in der Stadtgärtnerei leben dürfte. Es leben noch andere schräge und weniger schräge Vögel in der Stadtgärtnerei. So sind neben anderen der «Purpurglanzstar» oder auch der «Safranfink» dort zu finden.

Von linker Seite – wo die Steuergelder normalerweise sehr locker sitzen – wurde argumentiert, dass wir das Geld nicht hätten (ein Tukan kostet einmalig ca. 5000 Franken, da man aber auch eine «Bosine» halten soll, nochmals 5000 Franken, jährlicher Unterhalt ca. 10 000 Franken). Bosi wurde 18  Jahre alt, das macht nach Adam Riese 200 000 Franken. Oder anders formuliert: zwei Monate Miete fürs alte Rathaus. Kenner wissen, dass das Parlament neu in der Bullingerkirche tagt und das alte Rathaus ungenutzt trotzdem Miete generiert. Total 1,6 Millionen Franken.

Dividiere ich diese 1,6 Millionen Franken durch die 10 000 Franken Unterhaltskosten, so komme ich auf 160 Monate. Also knapp 13 Jahre lang. 13 Jahre Freude für Jung und Alt. Aber lassen wir uns von einem weiteren Budgetposten ebenso erfreuen, wie es Bosi machen würde. Das Projekt heisst: «Brings uf d Strass» und wird jedes Jahr mit 430 000 Franken budgetiert. Da es zum dritten Mal stattfindet, kommen nochmals 1,290 Millionen Franken auf Bosis «Haben»-Konto. Für die Stadt Zürich natürlich ein voller Erfolg, für die Quartierbevölkerung eher suboptimal und für das Gewerbe eine Katastrophe (gemäss eigener Umfrage).

Für Bosi und Bosine nahm die Ratsdebatte kein gutes Ende. So locker die Steuerspendierhöschen sonst sitzen, so fest sassen sie diesmal. Nur FDP, Die Mitte und EVP und ein paar Abweichler standen zu Bosi. Man mag den Vogel unpassend finden, aber eine Zuschrift einer Dame aus dem Kreis 7 brachte es auf den Punkt: «Das farbige Tukan-Nachfolge-Paar ist keine weltbewegende, aber Herzen erfreuende Angelegenheit.» Schade, dass die Mehrheit kein Gehör für das ornithologische Gemüt unserer Stadt hatte.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Roger Suter