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Aus dem Gemeinderat
28.06.2023
28.06.2023 09:14 Uhr

Solidarität? Geschäfte zur Gleichberechtigung behandeln

David Ondraschek, Gemeinderat Die Mitte, Wahlkreis 10
David Ondraschek, Gemeinderat Die Mitte, Wahlkreis 10 Bild: zvg
Einfach die Sitzung abzubrechen, empfinde ich als stillos.

Freud und Leid sind ein Paar, welches mich im Rat mal anlächelt, mal verhöhnt. Freudig ist, dass wir Postulate zur psychischen Gesundheit überweisen konnten. Durch das neue Anordnungsmodell der Psychotherapie können sich Patienten beim Hausarzt eine Therapie verordnen lassen und danach einen ihrer Psychologen wählen. Der bisherige Gang zum Psychiater fällt weg. Doch der Krankenkassendachverband Santésuisse verweigert, die Kosten zu übernehmen, wenn die Therapie bei Therapeuten in Ausbildung stattfindet.

Wohlgemerkt war das im bisherigen Modell immer möglich. Und noch brisanter: ist ein Patient z. B. bei der Helsana (nicht Santésuisse angegliedert) grundversichert, dann werden die Kosten übernommen. Folge dieses Unfugs ist, dass Therapeuten in Ausbildung nicht mehr in Praxen angestellt werden, wodurch schweizweit gegen 10  000 Patienten ihre Therapieplätze verlieren.

Menschen, welche psychologischer Unterstützung bedürfen, darf diese nicht aufgrund eines bürokratischen Hickhacks verwehrt bleibt. Gesetze sollen den Menschen und nicht wir den Gesetzen dienen! Der Stadtrat soll nun sicherstellen, dass zumindest in Zürich die Therapeuten in Ausbildung angemessen entschädigt werden, falls es auf Bundesebene zu keiner Einigung kommen sollte. Dadurch wird das Risiko für Psychotherapiepraxen tragbar, und sie können Therapeuten in Ausbildung weiterhin beschäftigen bzw. anstellen. Somit wird ein Teil der Versorgungslücke geschlossen. Ich danke an dieser Stelle Frau Blickenstorfer (GLP), Frau Habegger (SP) und Frau Wettstein (FDP), welche aktiv beim Postulat mitgewirkt haben. Diese fraktionsübergreifende Zusammenarbeit hat sich gelohnt!

Nun zum Leid, welches sich darin zeigt, dass ich mich nach über einem Jahr erstmals im Rat ärgerte. So beschloss eine knappe links-grüne Mehrheit am Mittwoch, 14. Juni, die Arbeit niederzulegen, um an der Frauendemo teilzunehmen. Doch woher mein Verdruss, wenn doch die Anliegen der Demonstrierenden ein Anrecht haben, gehört zu werden? Es liegt genau an uns Politikerinnen und Politikern, dass wir uns für Gleichberechtigung einsetzen, und im Gemeinderat verfügen wir über Möglichkeiten, welche wir auf der Strasse nicht haben. Solidarisch wäre gewesen, wenn wir an diesem Tag Geschäfte behandelt hätten, welche sich dieser Thematik annehmen. Einfach die Sitzung abzubrechen, empfinde ich als stillos.

Um mit etwas Positivem zu schliessen, halte ich fest, dass ich im Rat viele engagierte Politikerinnen und Politiker kennen lernen durfte, welche sich tatkräftig für unsere Stadt einsetzen – und diese Feststellung gilt von links bis rechts!

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

David Ondraschek