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Aus dem Gemeinderat
19.07.2023
19.07.2023 15:12 Uhr

Eine Bilanz will korrekt gelesen sein

Florian Blättler, Gemeinderat SP, Wahlkreis 11
Florian Blättler, Gemeinderat SP, Wahlkreis 11 Bild: zvg
Die 2,1 Milliarden Franken zweckfreies Eigenkapital liegen nicht rum. Sie finanzieren die Infrastruktur unserer Stadt mit.

Die Rechnung 2022 der Stadt Zürich ist überaus erfreulich ausgefallen. Im Budget ging man noch von einem Verlust von über 300 Millionen Franken aus. Stattdessen schloss die Rechnung nun mit einen Gewinn von beinahe dem gleichen Betrag. Das sogenannt zweckfreie Eigenkapital der Stadt ist durch den Gewinn von 1,8 auf 2,1 Milliarden Franken angestiegen. Dieses Eigenkapital, so Exponenten der rechten Ratsseite, müsse der Bevölkerung über eine Steuersenkung zurückbezahlt werden. Einzig die Stadt hat keine 2,1 Milliarden Franken rumliegen, sondern besitzt Infrastruktur.

Die Rechnung der Stadt Zürich umfasst drei Teile: Erfolgsrechnung, Investitionsrechnung und Bilanz. Zumindest ersteres und letzteres kennt man aus jedem Verein. Die Erfolgsrechnung ist vereinfacht gesagt, was die Stadt im letzten Jahr eingenommen und was sie ausgegeben hat. Aus dieser resultiert auch der Gewinn von 300 Millionen Franken, die mehr eingenommen als ausgegeben wurden. Die Gewinne und die Verluste aller vergangenen Jahre bilden zusammen das zweckfreie Eigenkapital.

Die Investitionsrechnung beinhaltet alle Investi­tionen, welche die Stadt im letzten Jahr getätigt hat. Wird ein Schulhaus gebaut, so ist das vorläufig keine Ausgabe, sondern eine Investition. Zu einer Ausgabe wird es erst, wenn es abgeschrieben wird. Die Bilanz selbst hat zwei Spalten, genannt Aktiven und Passiven. Bei den Aktiven findet man alles, was die Stadt besitzt: Immobilien, Mobilien, Beteiligungen an Unternehmen …

Bei den Passiven wird im Grunde genommen gesagt, wie der Besitz finanziert wurde. Dabei unterscheidet man zwischen Fremd-  und Eigenkapital. Fremdkapital besteht hauptsächlich aus Schulden. Eigenkapital ist der Anteil, den die Stadt selbst ­finanziert hat. Verwirrend ist hier die städtische Unterteilung in zweckgebundenes und zweckfreies Eigenkapital. Gewinne von Eigenwirtschaftsbetrieben wie Abfall, Fernwärme oder EWZ fliessen nicht in den Gewinn oder den Verlust der Stadt ein, sondern bilden das zweckgebundene Eigenkapital.

Aber alle Investitionen, die über die allgemeine Stadtkasse laufen – Schulhäuser, Strassen, Polizeiautos … –, all diese müssen finanziert werden: entweder über das zweckfreie Eigenkapital oder über Fremdkapital. Die 2,1 Milliarden Franken zweckfreies Eigenkapital liegen nicht rum; zusammen mit einigen Milliarden Franken Schulden finanzieren sie die Infrastruktur unserer Stadt. In einer wachsenden Stadt müssen wir uns also fragen, ob wir die notwendigen Investitionen der Zukunft mehrheitlich über Eigenkapital oder über Schulden finanzieren wollen. Falls wir sie nicht über Schulden finanzieren wollen, so sind wir auf Gewinne angewiesen, um diese Investitionen über Eigenkapital finanzieren zu können. Vor dem Hintergrund des städtischen Netto-Null-Mehrwerts.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Florian Blättler